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Twentysomethings reden über Sex

Noch ein Sex-Podcast ist erschienen. Podcasts erleben derzeit eine Renaissance, ganz offensichtlich.

Vor einiger Zeit schrieb meedia über einen Erotikpodcast zweier Frauen aus Berlin. Dadurch bin ich auch erst auf diesen Podcast aufmerksam geworden. Und es hat mich zu einer Suche in iTunes beziehungsweise in der Podcast-App nach „Erotik“ und „Sex“ gesucht. Man findet wirklich einige, obwohl ja gerade Apple als US-Unternehmen sehr grosse Schwierigkeiten mit Erotik und Nacktheit hat. Im verbalen Bereich scheint das keinen so zu stören. Marie und Isabel wollen sich um besseren Sex kümmern.

„Oh, Baby – der Podcast für besseren Sex“ mit Marie („immer noch Single und abenteuerlustig“) und Isabel („immer noch langweilig, immer noch in’ner Beziehung“) ist neu. Die Macherinnen bleiben eher anonym. Der Klangfärbung nach dürften sie aus dem Fränkischen, vielleicht auch aus dem Hessischen stammen. Inhaltlich und in der technischen Umsetzung ist dieser Cast nach drei Episoden noch hinter (dem Vorbild) „Sexvergnügen“ mit Ines Anioli und Leila Lowfire (laut Vice unter den sieben besten Podcasts Deutschlands). Der Ansatz ist im ersten Anschein recht vergleichbar: Zwei Frauen reden über Sex. Es kommen in diesem Podcast oft externe Aufnahmen zum Einsatz, Interviews sind integriert, Stimmen aus Umfragen aus dem Freundeskreis der beiden Frauen, aber dennoch bleibt vieles an der Oberfläche von vier bis fünf Sätzen.

Die Macherinnen geben sich Mühe, dennoch habe ich beim Hören nach Episode zwei der Meinung es ist etwas sehr gescripted und leidet ein bisschen an Magazinitis, finde ich (viele bunte Themen). Der Talk ist zwar gespickt mit entsprechenden Ausdrücken, aber es klingt stellenweise einfach wie abgelesen und gespielt, nicht wirklich echt. Es werden zwar viele Aspekte mal angeschnitten, aber die beiden sind eben hörbar jung, Anfang und Ende zwanzig. Daher überraschen die Gesprächsthemen auch nicht. Man kennt das aus Sexmagazinen aller Art, im TV, in Print, im Web. Alles schon mal durchgenommen. Die beiden geben sich Mühe, machen sich viel Arbeit. Das Ergebnis ist okay, der Erkenntnisgewinn nicht allzu hoch.

Das liegt vielleicht am Alter der Protagonistinnen, 20 bis 30 ist ja eher so die Paarfindungs- und Kinderwunschkonkretisierungsphase. Unter 30 hat man sicher weniger Bedarf nach „besserem Sex“, da ist Sex eher der soziale Kitt, der die monogame Beziehung stabil hält – oder auch nicht und zum Partnerwechsel führt.

In Folge zwei unterhielten sich die beiden über BDSM und Fifty Shades of Grey. Da wurden ein paar Begriffe aus einem „BDSM-Lexikon“ vorgelesen, was zur Belustigung und ausgedrückter Verständnislosigkeit führte. Das klang dann doch alles etwas kiddy und führt dazu, dass man den beiden das Involvement mit dem Thema nicht so richtig abkauft. Die beiden wollen viel Erfahrung durchklingen lassen, aber ist das authentisch, frage ich mich.

Man hört die lebensaltertypischen Vorbehalte durch: Alte Männer 50 plus mit Hornbrille und Bierbauch, so „richtige Hausmuttis mit kurzen Haaren“, die im Sexshop einkaufen. Creepy. Entrüstung und Abscheu, wenn man Sextoys bei anderen, eben bei Männer, in der Schublade findet. Eklig.

Am interessantesten, weil authentischsten ist es, den beiden zuzuhören, wenn sie Erfahrungen aus dem Alltag reden, über den bigotten Umgang mit Sex, etwa welche Sprüche im Büro kommen, wenn es um Vibratoren geht, die gleichen Leute die Teile aber heimlich mit nach Hause nehmen. Sowas kommt viel zu kurz. Die Einspieler mit Umfragestimmen – fast überflüssig. Ich würde lieber ungekünstelten Dialog zwischen beiden hören.

Sicher wollen sich Marie und Isabel einfach auch nur an jüngere Hörer wende und vielleicht bin ich einfach nicht Zielgruppen-kompatibel. Ich wünsche ihnen viele Hörer und viel Erfolg.

UPDATE 11.5.2017

Wie inzwischen bekannt ist, ist dieser Podcast eine Art Abschlussprojekt der Burda Journalistenschule. Die Absolventen und Absolventinnen sollen nicht mehr vordergründig Artikel herstellen, sondern digitale Medienprodukte produzieren. Vor kurzem fand die Präsentation der Projekte des Jahrgangs 2015/2017 in Offenburg statt. Der Oh-Baby-Podcast ist also eines dieser acht Projekte. Dies ist also ein journalistisches Format, nicht alles muss also selbst erlebt oder authentisch sein. That’s Entertainment!

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Screenshot der Burda Journalisten Schule bjs-blog.de